Erfolgsgeschichten

Im Programm begleitet eine Mentorin „ihre“ Mentee fĂŒr sechs bis zwölf Monate. Diese Begleitung bietet der Mentee die Chance, aus den persönlichen und beruflichen Erfahrungen ihrer Mentorin zu lernen. Gemeinsam ĂŒberwinden sie vielfĂ€ltige Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt, wie die folgenden Erfolgsgeschichten aus der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart, Region Stuttgart zeigt.

„Man kann so viel schaffen, wenn man an sich selbst glaubt!“

Christina Santos kam 2017 als studierte Innenarchitektin mit hervorragenden Referenzen aus Brasilien nach Deutschland. Nach einer problematischen ersten  Erfahrung auf dem deutschen Arbeitsmarkt verlor sie ihr Vertrauen in sich selbst und ihre berufliche Expertise. Durch die Teilnahme am Mentorinnen-Programm der Kontaktstelle Stuttgart – Region Stuttgart und mithilfe der engagierten UnterstĂŒtzung ihrer Mentorin Eva Gnida konnte sie ihre Unsicherheit ĂŒberwinden und mit Mut und Zuversicht in die Bewerbungsphase starten.

Schon als sich Christina Santos und Eva Gnida beim Online-Speed-Dating der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart kennenlernten, wussten beide: Das passt! „Christina ist eine sprĂŒhende Erscheinung und eine inspirierende Person. Es macht mir Spaß, junge Frauen kennenzulernen und neue Ideen mitzukriegen. Denn auch ich lerne in diesem Prozess viel, zum Beispiel darĂŒber, wie Frauen mit ganz aktuellen Herausforderungen umgehen.“ Auch Christina Santos ist mit ihrer Wahl mehr als zufrieden: „Gleich zu Beginn, als sich alle Mentorinnen vorstellten, wusste ich, dass ich mit Eva Gnida zusammenarbeiten möchte. Und ich bin immer noch sehr glĂŒcklich darĂŒber, dass ich mit meiner Intuition richtig lag.“

Eva Gnida hat vor ihrem Ruhestand in der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart als Beraterin und Coachin gearbeitet und möchte ihren ĂŒber Jahrzehnte gesammelten Erfahrungsschatz gerne weitergeben: „Ich finde das Bild des Erntens in diesem Zusammenhang sehr schön: Ich habe viele Jahre gelernt, durfte vieles mitnehmen und erfahren. Dieses Wissen möchte ich als ehrenamtliche Mentorin teilen, damit auch die nĂ€chste Generation davon profitieren kann.“ Im Mentoring werden die Themen von der Mentee vorgegeben, die Mentorin begleitet und unterstĂŒtzt – auf Augenhöhe!

Die ersten gemeinsamen Schritte
Das erste Treffen der beiden fand in der Wohnung der Mentorin bei Kaffee und Brezeln statt: „Wir sind direkt miteinander warm geworden und hatten keinerlei Probleme, ins GesprĂ€ch zu kommen,“ berichtet Eva Gnida. Christina hat sich mit ihrem persönlichen Berufsweg vorgestellt und mir von ihrer letzten Arbeitsstelle und den problematischen Erfahrungen dort berichtet.“ Christina Santos ergĂ€nzt: „Ich hatte keine Schwierigkeiten mit meinem Lebenslauf oder meinem Portfolio. Das Problem war, dass ich durch die schlimmen und prĂ€genden Erfahrungen in meinem letzten Job komplett verunsichert und Ă€ngstlich war und mir nichts mehr zugetraut habe. Ich hatte große Schwierigkeiten, wieder Vertrauen zu fassen. Frau Gnida hat mich gesehen und wusste genau, was zu tun ist.“

Zu Beginn der Tandempartnerschaft hat sich Christina Santos immer wieder fĂŒr ihre mangelnde Sprachkenntnis entschuldigt. „Ich habe seit meiner Ankunft Deutsch gelernt, sowohl privat als auch in Sprachkursen“, erzĂ€hlt die gebĂŒrtige Brasilianerin, die fließend Portugiesisch und Englisch spricht. „Aber ich fĂŒhlte mich nicht sicher, die erworbenen Sprachkenntnisse auch einzusetzen. Ich hatte Angst, nicht verstanden oder negativ bewertet zu werden.“ Eva Gnida weiß, dass (vermeintliche) Sprachdefizite einen eindeutigen Nachteil auf dem deutschen Arbeitsmarkt darstellen können. Sie bestĂ€rkte ihre Mentee, dass ihr Deutsch gut genug sei und ermutigte sie, ihre Deutschkenntnisse durch die Anwendung im Alltag zu festigen, um an Sprach- und Selbstsicherheit sowie SouverĂ€nitĂ€t zu gewinnen. „Es war mir wichtig, Christinas negative Selbstwahrnehmung durch positive und unterstĂŒtzende Zuwendung zu ĂŒberschreiben“, fasst Eva Gnida zusammen.

Die Tandempartnerschaft
Die grĂ¶ĂŸte Herausforderung bestand darin, Christina Santos‘ Vertrauen in sich selbst und ihre berufliche Expertise wiederherzustellen. Deshalb war Eva Gnida wichtig, den Blick ihrer Mentee auf ihre StĂ€rken und Kompetenzen zu lenken.

Um sich die Erfolge und eigene Entwicklung wieder bewusst zu machen, hat das Tandem den Blickwinkel in die Vergangenheit erweitert: „Ich habe alles aufgeschrieben, was ich bereits in meinem Leben erreicht und geschafft habe – sowohl fachlich als auch privat. Ich verstand, dass ich Menschen nur von mir ĂŒberzeugen kann, wenn ich auch an mich selbst glaube“, so die 26-jĂ€hrige Innenarchitektin. Eva Gnida erinnert sich an ihre Bewunderung, als ihre Mentee die Erfolge sowohl in deutscher als auch in englischer und portugiesischer Sprache auf einem Arbeitsblatt fixiert hat: „Christina beherrscht drei Sprachen, das ist prima. Ihre Mehrsprachigkeit ist ein wirklicher Gewinn. Ich wollte, dass sie das als Chance begreift, nicht als Makel.“

Mit Mut und Selbstvertrauen in den neuen Job
Durch die bestĂ€rkende Zusammenarbeit mit ihrer Mentorin konnte die 26-JĂ€hrige mit Zuversicht und Energie in die Bewerbungsphase starten. Dabei ist sie systematisch vorgegangen, hat genau eruiert, wo sie arbeiten möchte und sich auch initiativ beworben – und das mit Erfolg! Es folgten schnell zwei Einladungen fĂŒr ein VorstellungsgesprĂ€ch. FĂŒr das erste EinstellungsgesprĂ€ch konnte Christina Santos einen Kontakt reaktivieren und ihr berufliches Netzwerk stĂ€rken. Das zweite Kennenlernen verlief nicht minder erfolgreich und mĂŒndete in einem attraktiven Jobangebot: „Da stimmte einfach alles!“. Nach den frustrierenden Erfahrungen der Vergangenheit ein echter Lichtblick.

Christina Santos bekam gleich zu Beginn ihrer neuen Anstellung Verantwortung und interessante Aufgaben ĂŒberstellt und arbeitet heute in einem internationalen Team, das sie und ihre beruflichen Erfahrungen wertschĂ€tzt. „Meine Kolleginnen und Kollegen sind wirklich toll. Alle sind aufgeschlossen, offen und herzlich im Umgang und interessieren sich fĂŒr andere Kulturen. Hier traue ich mich auch, meine Deutschkenntnisse auszuprobieren und anzuwenden.“

Ein echter Gewinn fĂŒr beide
Auf die Frage, welchen Anteil sie an dem Erfolg ihrer Mentee hat, antwortet Eva Gnida bescheiden: „Ich konnte Christina gut anstupsen. Sie hat so viel erreicht, auf das sie stolz sein kann. Sich das noch einmal zu vergegenwĂ€rtigen und bewusst zu machen, dabei konnte ich gut unterstĂŒtzen. So konnte Christina mit neuem Mut und noch lebendigerer Ausstrahlung die nĂ€chsten Schritte gehen.“ Besonders interessant war fĂŒr die ausgebildete Coachin der Prozess des Kennenlernens und gemeinsamen Wachsens: „Die Entwicklungen meiner Mentee wahrzunehmen, ihren Erfolg zu begleiten und den Stolz auf das Erreichte zu spĂŒren, das war eine spannende Erfahrung.“

Auch Christina Santos findet fĂŒr die gemeinsame Zusammenarbeit nur lobende Worte: „Durch die Teilnahme am Programm habe ich viel ĂŒber mich selbst gelernt. Mir fehlte fĂŒr viele Herausforderungen der Mut. Ich habe meinen StĂ€rken nicht mehr getraut und dachte, ich sei nicht gut genug. Ich könne niemanden davon ĂŒberzeugen, kompetent in meinem Beruf zu sein. Dass das Unsinn ist, habe ich durch die vielen GesprĂ€che mit meiner Mentorin erkannt. Frau Gnida hat mir das GefĂŒhl gegeben, mich zu verstehen. FĂŒr mich war es sehr wichtig, in dieser Zeit, in der ich so empfindsam und sensibel war, eine so herzliche und empathische Person an meiner Seite zu haben.“


So ein Programm hÀtte ich selber gerne gemacht!

Das Mentorinnen-Programm fĂŒr Migrantinnen war noch lange nicht in Sicht, als Elena Iwaschkin 1996 aus Kasachstan nach Deutschland kam. Damals war sie 17 Jahre alt, mit der Schule fertig und fragte sich: „Was mache ich denn jetzt?“

„Eine solche UnterstĂŒtzung hĂ€tte mir gutgetan“, blickt die 43-JĂ€hrige zurĂŒck. Deswegen bewarb sie sich gleich als Mentorin, als sie bei einer Fortbildung zu Karriereplanung vom Mentorinnen-Programm erfuhr. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es vielen Frauen mit Migrationshintergrund nicht in erster Linie um sachliche Themen geht. Da können sie sich selber ganz gut informieren. Aber vieles „drumherum“ ist schwierig: Wie verhalte ich mich, wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen Mittagspause mache und jemand fragt im CafĂ© oder der Kantine, ob ich etwas haben möchte? Dann weiß ich nicht, ob ich das selber bezahlen oder andere einladen soll? Wann kann ich >Nein< sagen und wann ist das unhöflich?“

Ein „match made in heaven“

Solche Fragen beschĂ€ftigten und verunsicherten auch Boomi Devi Ravi Shankar. Sie kam vor fĂŒnf Jahren „der Liebe wegen“ aus Indien nach Deutschland. In Indien hatte sie im Bereich Rentenversicherung gearbeitet. Bei einer Weiterbildung in Stuttgart erfuhr sie vom Mentorinnen-Programm fĂŒr Migrantinnen. Die 33-JĂ€hrige machte einen Beratungstermin in der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart – Region Stuttgart aus. „So kam ich zum Programm und lernte Elena Iwaschkin kennen“. Die lobt: „Die Kontaktstelle macht ein ganz tolles Matching. Schon meine erste Mentee passte perfekt zu mir“.

Im April 2022 startete das Tandem in die Zusammenarbeit. Gleich darauf fand Boomi Devi Ravi Shankar eine Stelle im Finanzbereich, in einem Cash Management Team. „Das war mein erster Arbeitsvertrag in Deutschland. Ich wusste nicht, wo ich meine Sozialversicherungsnummer finde, wie es hier mit der Krankenversicherung, SteuererklĂ€rung etc. lĂ€uft. Vor allem aber hatte ich keine Erfahrung mit dem deutschen Arbeitsklima. Da hat Elena mir sehr geholfen und viel Sicherheit vermittelt.“

RĂ€tsel im deutschen Arbeitsalltag

In ihrer Beratung in der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart – Region Stuttgart hatte sie schon ihre Bewerbungsunterlagen ĂŒberarbeitet und alles ĂŒber Dresscodes und Körpersprache bei VorstellungsgesprĂ€chen erfahren. „Meine Kolleginnen und Kollegen sind freundlich, da gibt es keine Konflikte. Aber Alltagssituationen fand ich schwierig zu verstehen“, erinnert sich die junge Mutter.

„Ich habe Boomi dann vermittelt, dass wir in Deutschland eine ausgebildete Fragekultur pflegen, vor allem im Finanzbereich“, erzĂ€hlt Elena Iwaschkin, die einen Abschluss in BWL hat und als kaufmĂ€nnische GeschĂ€ftsfĂŒhrerin arbeitet. Auch mit ihrer ersten Mentee hat sie viel ĂŒber kulturelle Unterschiede und andere gravierende VerĂ€nderungen gesprochen. „Meine erste Mentee ist Brasilianerin. Sie hat sehr erfolgreich als Projektmanagerin Internationale Beziehung in ihrem Heimatland gearbeitet. Als sie nach Deutschland kam, war sie plötzlich finanziell von ihrem Mann abhĂ€ngig und ist mit dieser Situation nicht zurechtgekommen. Solche Herausforderungen zu bewĂ€ltigen, ist fĂŒr Frauen mit Migrationshintergrund genauso wichtig, wie eine korrekte Bewerbung zu erstellen.“

UnterstĂŒtzung durch die Kontaktstelle

Die Kontaktstelle bietet ihren Tandems zahlreiche UnterstĂŒtzungsangebote an. Bei Fragen konnte sich Elena Iwaschkin stets an die Beraterinnen dort wenden. Boomi Devi Ravi Shankar nahm an drei Veranstaltung zum deutschen Arbeitsmarkt, zu Frauen im Management und zum Thema Onlinebewerbungen teil.
Außerdem besuchte das Tandem verschiedene Formate fĂŒr Mentees und Mentorinnen. Nun haben Elena Iwaschkin Boomi Devi Ravi Shankar noch ein Kaffeetrinken geplant – bei dem sie gleichzeitig die SteuererklĂ€rung machen!

„Es ist beeindruckend, wie sich die Frauen im Laufe der neun Monate fachlich und persönlich weiterentwickeln, ihre Sprachkompetenz ausbauen und Selbstvertrauen fĂŒr einen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt bekommen. So gewinnt das Programm in Zeiten des Fachkraftmangels weiter an Bedeutung fĂŒr die Wirtschaft: In diesem Jahr haben schon mehrere Mentees unserer Kontaktstelle eine Stelle gefunden, die ihren Qualifikationen entspricht.“ (Inge Zimmermann, Leiterin der Kontaktstelle Stuttgart)

„Die Kombination aus der individuellen persönlichen Begleitung durch die Mentorin und den Beratungs- und Workshopangeboten in unserer Kontaktstelle macht das Programm so wirkungsvoll, wie das Beispiel von Elena und Boomi zeigt.“ (Ingrid MĂŒnzer, Programm-Koordinatorin der Kontaktstelle Stuttgart)

Der Ablauf des Programms

Der Mentoringprozess ist auf rund neun Monate angelegt. Als Mentee können sich Frauen mit Migrationshintergrund bewerben, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben und deutsche Sprachkenntnisse (mind. B1) sowie eine berufliche Qualifikation mitbringen.

Als Mentorinnen können sich berufstätige Frauen, gerne mit eigenem Migrationshintergrund, beteiligen, die mindestens zwei Jahre Erfahrung im Job mitbringen.

Das Mentorinnen-Programm wird von den landesweit neun Kontaktstellen Frau und Beruf koordiniert. Sie haben sich als Anlaufstellen fĂŒr alle Frauen etabliert und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Integration von Frauen ins Erwerbsleben.

Das Mentorinnen-Programm startet immer im MĂ€rz. Die KennenlerngesprĂ€che finden im Januar und Februar statt. Interessentinnen aus der Region Stuttgart wenden sich direkt an die Kontaktstelle Stuttgart, Nela Tokić: n.tokic@nullbeff-frauundberuf.de

Alle Informationen zur Teilnahme und Bewerbung finden Sie unter www.frauundberuf-bw.de/mentorinnen-programm.